Gang Zhao war game
04/04/2005 – 30/04/2005
Press Release
Gang Zhao
"Zurückblicken und Wegsehen"
Gang Zhao ist ein Chinesischer Maler, der seit vielen Jahren in Amerika lebt; nach Perioden der Abstraktion und der Nostalgie für Chinesische Kultur hat er sich plötzlich einer schön gemalten aber philosophisch nihilistischen Lebensanschauung zugewandt, in der die politische Vergangenheit nur mehr zum Schauplatz von Tagträumen dient, wo sich Bedeutung allein durch die Apotheose moralisch zweifelhafter politischer Figuren einstellt – oder eben nicht. Die Entscheidung, ausgerechnet den jungen, vermutlich noch idealistischen Mao Tse-Tung und den Gründer des sowjetischen KGB Feliks Dzierzynski der Nachwelt zu überliefern, zeugt von einem Zynismus, der die Kehrseite der offiziell propagierten radikalen Linken im 20.Jahrhundert darstellte. Heute, da wir alles besser zu wissen meinen, glauben wir, dass die Geister der mörderischen Exzesse politischen Übereifers, in China wie in der ehemaligen Sowjetunion, vom romantisierenden Blickwinkel ihrer Ergebnisse aus vertrieben werden müssten – nach wie vor einer der schwerwiegendsten Fehler der internationalen Intelligenz. Teil des Problems bei der bildlichen Darstellungen dieser Figuren liegt in ihrer historischen Bedenklichkeit: wie ist es möglich, sie so darzustellen, dass nicht nur ihr Vermächtnis sondern die Ideologie, die sie verkörpern, als das entlarvt wird, was sie ist: eine intellektuelle Absurdität, in ihren Extremen ein Vorwand für die Zerstörung von Millionen Menschenleben. Zhao malt ihre Porträts als existierten sie in einer vom Tagesgeschehen unberührten politischen Realität. Wenn die Bilder als widersinnig empfunden werden, dann nur, weil wir über die Taten der Dargestellten besser Bescheid wissen als über ihre Worte. Zhao jedoch gelingt das Bravourstück, sie im Geiste billigender Inkaufnahme nicht als Verbrecher, sondern als Schauspieler in einem selbstverfassten Skript zu stilisieren. In Folge kann man den Bildern selbst keinerlei Urteil entnehmen. Das kommt später, in historischer Kenntnis der mörderischen Exzesse dieser Männer.
Letztlich untergraben die Ereignisse im Drehbuch natürlich den Ruhm der Revolutionen, den sie eigentlich demonstrieren sollen. So sehen wir auf einem Bild den jungen Mao in ein Mikrofon sprechend. Die Leinwand ist unfertig, scheinbar schnell und locker hingeworfen. Die Figur Maos, mit geschlossenen Augen und noch nicht fett, wird vom Datum der Eroberung des chinesischen Festlands begleitet: den 1.Oktober 1949. Offensichtlich stammt das Motiv von einer historischen Fotografie. Was Zhao hier in einem Versuch thematischer Umkehr macht, ist die Rückführung des historischen Bildes in die Malerei, deren Wirkmächtigkeit im Gegensatz zu den tatsächlichen Ereignissen ausschließlich im Bereich der Vorstellung und Imagination liegt. Dieses Bild, treffender Kommentar zu den Fallgruben des sozialistischen Realismus, zeigt intuitives Gespür für eine Wirklichkeit, wie sie sich zu Beginn kommunistischer Herrschaft in China durchaus für viele darstellte. Indes, die günstige Warte eines zeitlichen Abstands von zwei Generationen zu den eigentlichen Ereignissen, lässt die Arbeit nur mehr als ironisches Possenspiel mit den Ideologien erscheinen, mit wenig bis gar keinem Spielraum für Idealismus. Dieses Scheitern jeglichen Idealismus, in der Kunst wie generell in der Kultur, beschäftigt Zhao mehr als alles andere. Die Aussichtslosigkeit und das Fehlen einer Vorstellung von der Zukunft, die mehr als eine zwanglose Repräsentation erfordert, steht eindeutig im Mittelpunkt von Zhaos Ästhetic, was in gewisser Weise auch in der zeitgenössischen westlichen Kunst angelegt ist. Ganz besonders wir in Bushs Amerika wissen, dass politischer Idealismus mittlerweile vom zynischen Missbrauch der Macht abgelöst wurde, trotzdem finden wir es, wie die meisten Menschen, schwer, das Streben zum Idealen aufzugeben, das in der Theorie so anziehend und in der Praxis wohl unausweichlich desaströs ist.
Am unteren Rand des Mao-Bildes hat Zhao einige chinesische Schriftzeichen eingefügt. Das Fragment lässt sich mit “Chinesen nicht mehr … ” übersetzen. Der Rest des Textes ist übermalt, die Schrift unleserlich, so dass wir nicht wirklich sicher sein können, wie der Satz endet. Die begründete Vermutung, den Gedanken als „Chinesen nicht mehr chinesisch“ zu vervollständigen, scheint zulässig. Was heißt das im Falle des Malers Zhao? Er, der inzwischen mehr Zeit außerhalb Chinas verbracht hat als in seinem Heimatland, kann nicht rückhaltlos von der Chinesischen Kultur als seiner eigenen sprechen; in der Tat ist er sogar unfähig, den Satz auf seinem Bild zu Ende zu schreiben. Es scheint, als habe die Globalisierung der Ökonomien und der Kulturen auch unser Zugehörigkeitsgefühl soweit internationalisiert, dass uns selbst Zeichen und Symbole unseres eigenen kulturellen Hintergrunds weitgehend entfremdet sind. Zhao hat in die Zukunft geblickt und sie im Lichte der Vergangenheit für unverbesserlich befunden. Diese mehr rhetorische denn faktische Geste lässt alles zur Pose gerinnen. Da wir Mao als den kennen, der er wurde, ist für uns seine Gebärde nichts als Theater und wir wissen, dass sich selbst für Chinesen die Identifizierung mit ihrer Kultur in einer Weltwirtschaft aufgelöst hat, die nichts als die Macht des Geldes kennt und die Kulturen der Welt gleichschaltet. Das ist einerseits tragisch, andererseits aber auch lächerlich; und so setzt Zhaos aus der Realität geborene Verzweiflung anstelle der aus unausgegorenem Idealismus erwachsenen. Gemeint ist, dass selbst bedeutende historische Augenblicke der entleerten Rhetorik nicht gerecht werden, mit der der sozialistische Realismus Transzendenz als politische Realität zu verkaufen sucht.
Die Implikationen im Bild von Dzierzynski sind erschreckend, war er doch als Gründer des KGB für die Kaltstellung, die Inhaftierung und den Tod unzähliger Menschen, darunter viele politische Weggefährten, verantwortlich. Er ist eine durch und durch unsympathische Figur der Weltgeschichte. Zhao hat ihn in einer unmissverständlichen Pose dargestellt: Dzierzynski steht auf einer Schaukel, die rechts an einem Baum befestigt ist, den Zhao in chinesischer Tradition gemalt hat. Felsen, ebenfalls asiatisch gemalt, stützen den Baum am unteren rechten Rand, der Hintergrund ist in einem tiefen Rot gehalten – vielleicht eine Verbeugung vor dem Rot der kommunistischen Partei Russlands. Die scheinbare Idylle des Bildes ist natürlich als ironische Abweichung von allem, wofür Dzierzynski steht, zu interpretieren. Die Kombination der Stile erinnert an den oft chaotischen, fast anarchischen Duktus, in dem der nachmoderne Künstler seine Themen und seine Mittel behandelt. In diesem Bild funktioniert nichts, alles liegt im Konflikt mit seinem Umfeld. Dennoch spüren wir einen Schauer unseren Rücken herunterlaufen, wenn wir den Chef des sowjetischen Geheimdienstes in solch einer friedlichen Umgebung sehen, als solle uns die Darstellung erinnern, dass auch die Leiter von Geheimdiensten ihre sanften Momente haben. Was könnte unschuldiger sein, als auf einer Schaukel zu stehen? Tatsächlich impliziert das Bild eine Menge über das Scheitern der Unschuld in Vergangenheit und Gegenwart. Dies ist – wie das Maos – ein Bild über die Aussichtslosigkeit. Der schrille Gegensatz von idyllischem Umfeld und allem, wofür der Protagonist steht, deutet an, dass es nichts gibt, was uns antreiben könnte. Der Augenblick zerstört sich selbst in einer trügerischen Allegorie zerfallender Herrlichkeit.
Bisher ging es vorrangig um politischen Pessimismus. Zhaos historische Hoffnungslosigkeit schließt auch die Kunst ein. In einem dritten Bild hat er ein gelbes Bauhausgebäude im Osten Berlins gemalt. Mit seiner geschwungenen Fassade, den vielen Fenstern und Balkonen wirkt es wie das baufällige Symbol einer modernen Bewegung und bedeutenden Stils. Wohl kalkuliert desavouiert diese Widergabe eines wichtigen bauhistorischen Moments, genau wie die Porträts der beiden Politiker, jegliche idealistische Rhetorik, den Betrachter mit herzlich wenig zurücklassend, an das dieser sich halten könnte. Mit diesen Bildern reiht sich Zhao weniger in die chinesische Malerei, als vielmehr die der internationalen Kunst ein, Realitäten dabei so vermittelnd wie sie sich durch fragwürdige Sehnsuchtsmotive und Scheinwahrheiten konstruieren. So dient das Gebäude als Denkmal einer Bewegung, die es schuf, doch das Erinnerungszeichen hat über die bloße Bestätigung des Verschwindens bestimmter historischer Momente hinaus keinerlei Bedeutung. Was wir hier sehen, ist das Ende nicht der Anfang von Bedeutung im humanistischen Sinn. Die Niederlage liegt dabei weniger in der Darstellung des Verlustes als vielmehr in der Trauer um die verfehlte Politik des Idealismus auf historischer wie kultureller Ebene. Wohin sich also wenden auf der Suche nach neuen Ideen? Was kommt als nächstes im Feld des Transzendenten? Wenn Zhao Recht hat und es keine Hoffnung auf Inspiration gibt, dann räumt der Pessimismus seiner Bilder endgültig mit der Rhetorik politischen Engagements auf. Die vertraute Sehnsucht, die Möglichkeit zur Veränderung, verrät am Ende Maler wie Betrachter; das Bauhausgebäude ist nichts als ein Denkmal seines eigenen Anachronismus. Was bleibt sind freudlose Zweideutigkeiten, die zur bitteren Ironie nachmoderner Kunst beitragen.
Zhao macht Kunst weil es das ist, was er gelernt hat. Doch seinen Geschichten und Bildern fehlt ein Gefühl von Vertrauen, so dass wenig jenseits des Dargestellten offeriert wird. Die Implikationen seiner Kunst sind in ihrem historischen Nihilismus von Grund auf pessimistisch. Dennoch kann auch Zhao mit seiner Behauptung nicht gänzlich überzeugen, Malerei sei im Kern genau wie seine Themen bar jeder Bedeutung. Niemand kann letztlich arbeiten, ohne an irgendeine Wirkkraft zu glauben, so dass bis zu einem gewissen Grad der Topos der Leere durch die Sinnstiftung der Kunst als solcher Bedeutung erhält. Daher stimmt es nicht ganz, dass Zhaos Bilder von Widersprüchen und Paradoxien beherrscht werden, vielmehr sind es die Themen, die jenseits des reinen Malaktes entstehen, die die Natur seiner scheinbar so abgestumpften Empfindlichkeit bestimmen. Wie das absurde Theater auf seinen Leinwänden zu interpretieren ist, bleibt jedem selbst überlassen. Was bleibt, ist die Konstante seiner Arbeit. Die Nachmoderne liebt Themen, über die man sich lustig machen kann; Ironie beeinflusst zeitgemäßen Zynismus. Die Themen jedoch sind mit soviel Realität angereichert, dass man sie nicht einfach weglachen kann. Egal wie Zhaos Position verstanden werden kann, er kehrt letztlich zur Kunst zurück, weil es ihr auch unter zweifelhaften Umständen gelingt, sprechende Metaphern zu finden. So stellen seine Bilder wohl die Leere dar, aber sie sind nicht leer; ohne sie würde es nicht mal eine Diskussion über Geschichte und Kultur geben. Es scheint, als wäre Zhao doch nicht ganz der Gefangene der von ihm postulierten Sinnlosigkeit; sein Zynismus ist ein Akt der Brutalität, der über die Kunst hinausweist. Steht doch gerade seine anhaltende Kunstproduktion im lebendigen Widerspruch zum eloquent variierten Thema seiner Bilder.
Jonathan Goodman
(Übersetzung: Susanne Prinz)