Peter Wächtler  STUDIUM MAXIMUM

02/11/2012 – 26/01/2013

Eröffnung: Mittwoch, 31. Oktober 2012
Opening: Wednesday, 31. October 2012

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50667 Köln

Press Release

Die Tätigkeit entspannt dich. Du entwirfst einen riesigen Freeway, der nach Norden ausgerichtet ist und die Vororte noch besser einbinden würde. Das erzählst du allen, die dich kennen, bei jeder Gelegenheit. Vier Parks in einem Viertel, aber für unterschiedliche Zielgruppen. Die Maßstäbe
verändern sich zu deinen Gunsten. Du erfindest Konzepte gegen Überalterung und urbane Tristesse. Das wird gefeiert, du kotzt ins Treppenhaus deines Mehrgenerationenhauses. Ein alter Mann hilft dir auf. Du bist immer noch gut in der Zeit, aber zu lahm, dein Gesicht hängt dir ins Essen. Abgaben, Abmachungen und Prüfungen, Selbstermächtigung, Gestaltung, Beweise, Wirkung, Veränderung, deine Zukunft hat in deiner Hose allein keinen Platz mehr. Du gehst die Sache mit der Partnerschaft jetzt ernst an.

Dann denkst du über Industrie nach. Eine Zeit lang kaufst du alles was du brauchst im Baumarkt. Dein Essen auch. Du prügelst dich mit Leuten, weil sie dich einen Tüftler nennen. Du hast viel zu tun, aber deine Beobachtungen werden seltener. Die Übersicht geht flöten, also zurück zu den Modellen. Die Aufgabe ist klar: ein Weingut in Frankreich, eine neue Abfüllstation, Weinpresse, maßgeblich solarbetrieben, moderne Kelterung. Du schaust auf deine nördliche Zubringerstraße und auf all die Plastikfenster, die du auf die örtliche Witterung abgestimmt hast. Das Wetter in Frankreich. Realität. Du bist stolz. Über die Pfingstfeiertage schneidest du dir tief in die Hand und wirst mit drei Stichen genäht. Der Arzt ist in einer Stimmung, auf die du niemals ein Anrecht haben wirst. Er wünscht dir alles Gute. Du hast noch drei Wochen.

Zurück zuhause schaust du auf die Pläne, alles wirkt akademisch und steif und du kannst es nicht ändern. Von den Verkehrs- und Sichtachsen ziehst du dich ins Schlafzimmer zurück. Von innen heraus formt jeder Tag sein Gelände heraus. Die Totensümpfe. Du checkst die Pillenverpackung deiner Freundin und frisst selber Vitamine, die keine Wirkung zeigen. Du bist allein mit deiner Zeit in deinem Zimmer und sie quillt auf wie Bauschaum. Jetzt wird es eng. Du musst die Sache reduzieren, deine Lehrer flehen dich an einen Schlag reinzuhauen. Mit den Coolen von ihnen gehst du saufen und die sagen du musst gar nichts machen. Dann wirst du etwas beschränkt. Du denkst über finale soziale Metaphern nach: Licht und Schatten. Du fragst das Genre um Hilfe, aber du hast nichts zu schaffen mit anderen Welten. Du versuchst Andere zu treffen, hast aber mit ihrem Geflüster nichts zu tun. Du versuchst mitten dabei zu sein. Bald vermisst du deine Alte.

Das Studium strengt dich sehr an, so soll es sein. Deine Müdigkeit wird wieder ehrlich, das ist furchtbar, vor allem historisch. Deine Freunde raten dir durchzuhalten. Du suchst dir andere, die schneller denken und die ganze Zeit unterwegs sind. Dein französisches Weingut wird zu einer Anekdote, die du ihnen besoffen erzählst. Sie sollen die Wahrheit über deine Herkunft erfahren. Du hast wirklich ganz klein angefangen. Du schaust nur noch nach oben. Dort, über dem Tor der großen Bibliothek steht in goldenen Lettern geschrieben: Sie werden dich in den Staub treten.

Aber es ist auch alles nicht so schlimm und wirklich schon sehr lange her. Du versuchst dich jetzt an den einfachen Dingen zu erfreuen. Du hast keine Ahnung über geopolitische Konfliktherde und sagst dir ständig, dass du das auch nicht musst. Du gehst in die Landschaft, du magst die Tageszeiten, die Jahreszeiten, du kochst saisonal und baust dir deine Möbel selber. Du denkst über Haustiere nach und spekulierst auf ein würdevolles Leben in der Provinz, umgeben von Schafen, Hühnern und einem Hund, für den du schon drei Namen in Petto hast. Du würdest dann niemanden mehr brauchen, hast aber eine Katzenallergie. Manchmal stellst du jetzt schon eine Kerze ins Fenster und klingelst beim Nachbarn um ihn an die Hand zu nehmen und ihm deine Hilfe anzubieten. Er hat auch studiert, du weißt aber nicht was, jedenfalls nach einem völlig anderen System. Er sagt er braucht keine Hilfe und in keinem Fall von dir.