Joseph Zehrer  per plexi

19/04/2007 – 26/05/2007

Eröffnung: 18. April 2007, 19 Uhr
Opening: 18. April 2007, 7pm

Press Release

Die Höflichkeit des Künstlers besteht darin, seine Bild- und Ausstellungstitel so zu wählen, dass sie erklärend, sinnstiftend oder zumindest zusammenfassend wirken. Dabei darf getrost ein Mindestmaß an Kunst internen Kenntnissen vorausgesetzt werden, so dass der Rest der Welt nur mittels intensiver Vermittlung erkennt, was diese konkret bedeuten könnten. In paradoxer Stimmigkeit demonstriert Joseph Zehrers mit ‚per plexi’ wie souverän er dieses Spiel beherrscht und gleichzeitig unterlaufen kann. In kalauerhafter Melancholie hält er der Moderne einen Spiegel vor, in dem sie sich nur als von geschichts-philosophischen Illusionen abgeschminkte Oberfläche erkennen kann.

Demjenigen unter den Ausstellungsbesuchern, der diesen programmatischen Erklärungsnotstand als Chance zur eigenen Wahrnehmung begreift, leiten nach Betreten der Galerie leuchtende Plexiglaszäune durch eine bunte Bilderwelt aus Fragmenten des Alltäglichen. Gleich zu Anfang empfängt ihn was sonst am Ende eines Parcours steht: ein Lorbeerkranz. Zehrers eigenwillige Farbinjektionstechnik, bei der er durch Röhrchen oder Halme Farbstoffe zwischen vorher verbundene Glas und Leinwandflächen laufen lässt, geben dem Motiv eine ungewöhnliche Dreidimensionalität. Der Kranz scheint so weniger von Hand hoch gehalten, als an dünnen Stäben hängend. Ganz ähnlich entstanden das Porträt eines Brots, ein durchscheinendes Clownsgesicht, einige knallige Abstraktionen und sogar monochrome Leinwände. Spätestens hier wird klar, dass Zehrer die Farbe als Zitat des Malerischen aufgreift. Zu sehr spielt der Zufall eine Rolle, als dass hier Farbe mehr als dramaturgisches Mittel wäre. Tatsächlich knüpft Zehrer damit an vorherige Arbeiten an. Waren es 2005 im Aichacher Kunstverein Phänomene der „geisterhaften Fernwirkung“, die Albert Einstein in die Debatte über Quantentheorie einbrachte, so gab Zehrer zuvor in Braunschweig dem menschlichen Erbgut symbolische Form.

Was wir sehen sind also bestenfalls vom guten alten Bild abgeleitet Erscheinungen. Schließlich wurde ersteres ehemals geschaffen, indem jemand Abstand von den Dingen nahm und das Erblickte dann für andere durch sein jeweiliges Medium zugänglich machte. Betrachtet man die vom Künstler gestellten Abstandshalter genauer, bemerkt man, dass auch sie Bildträger oder vielmehr –vermittler sind. Wie das überdimensionierte Modell einer Glasfaser, sine-qua-non schneller Datenübertragung, leitet jeder einzelne Plexiglasstab – ausgelöst durch einen Bewegungsmelder – ein Bild, oder vielmehr den Schatten eines Bildes. Wo sonst Datenflut und Bildmeer die Realität zuschütten, balanciert Zehrer erfolgreich auf dem schmalen Grat zwischen Materialität und Immaterialität.