Jonas Fahrenberger  Normalzustand

29/06/2024 – 31/08/2024

Galerie Nagel Draxler
Weydingerstr. 2/4
10178 Berlin

Opening / Eröffnung:
Samstag, 29. Juni 2024, 15 – 18 Uhr
Saturday, June 29, 2024, 3 – 6pm

Öffnungszeiten / Opening hours:
Dienstag - Freitag 11 – 18 Uhr, Samstag 12 – 18 Uhr
Tuesday - Friday 11am – 6pm, Saturday 12 – 6pm

Press Release

*Please scroll down for the German version.*

Jonas Fahrenberger bases his art on the existing, not the imagined. It is the material circumstances of life that shape people, their characters and their coexistence. At the heart of Marx's critical materialism is a critique of the idealism of his time. Fahrenberger updates this criticism by searching reality for images that could not be in greater contrast to the kitschy to the point of reactionary outpourings that are currently being celebrated again in major exhibitions, for example in parts of the main exhibition of the Venice Biennale.

Jonas Fahrenberger's new works follow in the footsteps of civility and the status quo it defends. In times when people are discussing what "leading culture" is, while one crisis follows the next, the question inevitably arises: what is happening here and what is meant by a "normal life"? It's about the search for happiness, hope and disappointment; about repression, fears or the Sunday Tatort. Fahrenberger navigates through individual fictional characters whose statements, homes and appearances you have likely encountered countless times before. They are the neighbors, the uncles and aunts, the colleagues. They are the ones who wait.

Normalzustand

He had also been younger once and had imagined things differently - now he sits in the dining car and hopes that someone will start a conversation. From "medium-sized German city A" to "medium-sized German city B" and back to "A" and vice versa. And regularly. Numerous acquaintances, various regular pubs, a feel for the best (down-to-earth) restaurants and a healthy knowledge of niches were helpers and anchors in this chaos.

His cell phone, the 32 days of vacation, and the upcoming company party – although last year’s had gone down the drain - provide distraction. He had been excited because events like this broke his routine - of course he went over the top.

But now he was about to be promoted again. A colleague was due to retire and who else could replace him? Little would change, but he would get a new title, more responsibility and a bit more money. Plus, a new chance to prove himself and perhaps finally a bit of "that luck". On his outward journey, he had bought three lottery tickets at the station, which were now lying in front of him, somewhat damaged but promising. When is the draw again?

The shadowy garages, houses and streets rush past the windows. At least it's light for longer now and he'll be home soon.

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Jonas Fahrenberger (*1995 in Gießen) completed his studies at the Hochschule für Gestaltung in Offenbach in 2023. He has had solo and group exhibitions in Berlin, Darmstadt, Rome, Rüsselsheim, and Kassel. "Normalzustand" is his second solo exhibition at Nagel Draxler after "Glücksschwein" in Munich in 2022. Jonas Fahrenberger lives and works in Leipzig.

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Jonas Fahrenberger denkt seine Kunst vom Vorhandenen aus, nicht vom Erdachten. Es sind die materiellen Lebensumstände, die Menschen, ihre Charaktere und ihr Zusammenleben, formen. Im Kern eines kritischen Materialismus nach Marx steckt die die Kritik am Idealismus seiner Zeit. Fahrenberger aktualisiert diese Kritik, indem er in der Wirklichkeit nach Bildern sucht, die in keinem größeren Gegensatz zu den kitschigen bis reaktionären Ergüssen stehen könnten, die derzeit wieder in Großausstellungen gefeiert werden, wie beispielsweise in Teilen der Hauptausstellung der Biennale von Venedig.

Fahrenbergers neue Arbeiten begeben sich auf die Spuren von Bürgerlichkeit und dem durch sie verteidigten Status quo. In Zeiten, in denen man sich darüber unterhält, was „Leitkultur“ sei, während eine Krise die nächste jagt, stellt sich unweigerlich die Frage, was hier eigentlich passiert und was man noch unter einem „normalen Leben“ zu verstehen hat. Es geht um die Suche nach Glück, um Hoffnung und um Enttäuschungen. Um Verdrängung, Ängste, oder den sonntäglichen Tatort. Hierbei arbeitet sich Jonas Fahrenberger an einzelnen fiktiven Charakteren ab, denen man in ihren Aussagen, Wohnungen und in ihrem Auftreten wahrscheinlich schon unzählige Male begegnet ist. Es sind die Nachbarn, die Onkel und Tanten, die KollegInnen. Es sind die, die warten.

Normalzustand

Auch er war einmal jünger gewesen und eigentlich hatte er sich das ja alles anders vorgestellt - nun sitzt er im Speisewagen und hofft darauf, dass jemand ein Gespräch anfängt. Von „mittelgroße deutsche Stadt A“ nach „mittelgroße deutsche Stadt B“ zurück nach „A“ und oder umgekehrt. Und das regelmäßig. Zahlreiche Bekanntschaften, diverse Stammkneipen, ein Gespür für die besten (bodenständigen) Restaurants sowie ein gesundes Nischenwissen waren Helfer und Anker in diesem Chaos.

Für Ablenkung sorgt sein Handy, die 32 Tage Urlaub und die baldige - wenn auch letztes Jahr in die Hose gegangene - Firmenfeier. Er war aufgeregt gewesen, denn solche Events durchbrachen seine Routine - natürlich schlug er über die Stränge.

Doch nun stand er erneut kurz vor einer Beförderung, ein Kollege sollte in Rente gehen und wer sonst könnte ihn ersetzen? Ändern würde sich wenig, aber einen neuen Titel würde er bekommen, mehr Verantwortung und ein bisschen mehr Geld. Dazu eine neue Chance sich zu beweisen und vielleicht auch endlich ein wenig von „diesem Glück“. Auf seiner Hinreise hatte er am Bahnhof gleich drei Lottoscheine gekauft, welche nun etwas lädiert, jedoch vielversprechend vor ihm lagen. Wann nochmal ist diese Ziehung?

An den Fenstern rauschen die schemenhaften Garagen, Häuser und Straßenzüge vorbei. Immerhin ist es jetzt wieder länger hell und bald ist er zuhause.

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Jonas Fahrenberger (*1995 in Gießen) schloss 2023 sein Studium an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach ab. Er hatte Einzel- und Gruppenausstellungen in Berlin, Darmstadt, Rom, Rüsselsheim und Kassel. „Normalzustand“ ist seine zweite Einzelausstellung bei Nagel Draxler nach „Glücksschwein“ 2022 in München. Jonas Fahrenberger lebt und arbeitet in Leipzig.