Gruppenausstellung   NO More Mirrors, ON More Mirrors

13/10/2008 – 25/10/2008

Eröffnung: 11. Oktober 2008

Im Rahmen des Nico-Festivals „70/20“

Press Release

"NO More Mirrors, ON More Mirrors"
mit Willi Maywald, Herbert Tobias, Petra Gall, Lisa Law, Gregor Hildebrand, Bianca Schönig – initiiert von Bianca Schönig und Lutz Ulbrich

 

„NO more mirrors, ON more mirrors“ wird am Samstag von 19 bis 22 Uhr in unseren Berliner Galerieräumen im Rahmen des Festivals „Nico 70/20“ eröffnet. Neben Fotografien von Willi Maywald, Herbert Tobias, Petra Gall und Lisa Law werden Arbeiten von Gregor Hildebrand und Bianca Schönig zu sehen sein, sowie zahlreiche Dokumente, Plattencover und Kataloge, die das schillernde Leben der Warhol Muse, Schauspielerin und Velvet Underground Sängerin Nico beschreiben. Initiiert wurde die Ausstellung von Bianca Schönig und Lutz Ulbrich. Nico, 1938 in Köln geboren, wurde bereits mit 16 Jahren von dem Berliner Fotografen Herbert Tobias entdeckt. Wenige Jahre später zog sie nach Paris und stand viele Male vor der Kamera des Modefotografen Willi Maywald, der sie protegierte und für zahlreiche Modeshootings für Vogue, Elle, Coco Chanel und andere wichtige Modefirmen engagierte. 1961 gab ihr Federico Fellini eine Filmrolle in „La Dolce Vita“ als geheimnisvolle Schöne. In New York lernte sie Andy Warhol kennen und wirkte in seinem Film „Chelsea Girls“ mit. Doch am bekanntesten wurde Nico sicherlich als Sängerin auf dem Debutalbum der Band The Velvet Underground.

Parallel zu dieser Ausstellung wird das Kino Babylon Mitte eine Filmreihe zu Nico zeigen, in der unter anderem „THE VELVET UNDERGROUND & NICO”, „THE CHELSEA GIRLS”, „ARI & MARIO” und „STRIP-TEASE” zu sehen sein werden.

Am 16. Oktober, an dem Nico 70 Jahre alt geworden wäre, liest ihr langjähriger Lebensgefährte Lutz Ulbrich in der Galerie Christian Nagel aus seiner Autobiografie „Lüül – ein Musikerleben“.

Am 17. Oktober veranstaltet die Volksbühne auf Initiative von Lutz Ulbrich ein Konzert für Nico, auf dem unter anderem Gudrun Gut & Michaela Melián, The Golden Hunger (feat. Jim aka James Young, Keyboarder von Nicos letzter Band The Faction, MacGillivray, Captain H Morgan), SOAP & SKIN und MARIANNE ENZENSBERGER auftreten.

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"It´s part of pop art. I guess, that everybody can impersonate somebody else... that you don't always have to be you to be you." (Nico)

Der Rosa-Luxemburg-Platz steht unter anderem im Zeichen historischer Erinnerung. So finden sich dort, wie gefallene Mikadostäbchen um den Platz herum verteilt und in den Boden eingelassen, Zitate von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht – ein ungewöhnliches Denkmal von Hans Haacke, das einen Ort der lebendigen kulturellen Gegenwart säumt. Die Grenzüberschreitung zwischen Theater, Musik und bildender Kunst manifestiert sich im unmittelbaren Nebeneinander von Volksbühne, mehrerer bedeutender Galerien und des Babylon-Kinos. Das Dreieck Volksbühne, Babylon-Kino und Galerie Christian Nagel bildet den Rahmen einer Veranstaltungs-Trias anlässlich des 20. Todestages einer Ikone der Pop- und Subkultur, die zunächst ein gefeiertes Model war und dann als Schauspielerin und Sängerin bekannt wurde.

Nico, die eigentlich Christa Päffgen hieß, wurde 1938 in Köln geboren, wuchs im Spreewald auf und wurde als Sechzehnjährige von dem Fotografen Herbert Tobias entdeckt. Als Model arbeitete sie unter anderem für die Vogue und für Coco Chanel; 1961 hatte sie einen Auftritt in Federico Fellinis Film La Dolce Vita.
Dann ging sie nach New York und besuchte die Schauspielschule von Lee Strasberg. Über Bob Dylan lernte sie 1964 Andy Warhol kennen, der 1965 ihre erste Single produzierte und in dessen Film Chelsea Girls sie mitspielte. Am bekanntesten wurde sie als Sängerin auf dem legendären Debutalbum von The Velvet Underground. Keines ihrer späteren Soloalben wurde derart berühmt, aber mit ihrer intensiven düsteren Ausstrahlung und ihrer tiefen Stimme ist Nico in der Musikgeschichte mit Platten wie Marble Index und Desertshore als wichtige Vorläuferin von Gothic und Punk anerkannt.
Ihre jahrzehntelange Heroinabhängigkeit blieb nicht ohne Einfluss auf ihre Schaffenskraft und verursachte letztlich wohl auch ihren frühen Tod. Nico starb 1988 nach einem Fahrradunfall auf Ibiza an einer Hirnblutung.

Obwohl Nico mit vielen Größen der Musik- und Filmszene in direktem und intensivem Kontakt stand, der auch zahlreiche Affären beinhaltete, haftet ihrer Person und ihrem Leben eine gewisse Ungreifbarkeit an, die den Mythos, der um sie entstand, zusätzlich schürte. Die einstigen Weggefährten schildern sie als sehr ehrgeizig und auch launenhaft bis hin zur direkten Aggressivität, dennoch erscheint sie eher als Wunschvorstellung und Projektion ihrer meist männlichen Bewunderer.
Dass berühmte Musiker wie Brian Jones, Lou Reed, John Cale, Jim Morrison oder Leonard Cohen Songs für Nico schrieben, beruhte jedoch weniger auf dem klassischen Klischee der Inspiration durch eine weibliche Muse als auf dem karrierebewussten Bestreben Nicos, als Sängerin bekannt zu werden. Einer der bekanntesten Songs wurde während ihrer Zeit als Sängerin bei The Velvet Underground von Lou Reeds geschrieben: "I'll be your mirror". Die Metapher des Spiegels als Projektionsfläche findet sich ebenfalls in einem bekannten Foto Willy Maywalds, auf dem Nico, ein Glas Wein trinkend, in einem Spiegel verzerrt zu sehen ist.

Auch zahlreiche andere Fotos Maywalds sind unter den Dokumenten in der Ausstellung, die von der Künstlerin Bianca Schönig in Zusammenarbeit mit Lutz Lüül Ulbrich konzipiert wurde. In der Schau überlagern sich unterschiedliche Bild- und Textzeugnisse, um die verschiedenen Facetten Nicos widerzuspiegeln.
Porträt und Projektion - die Vielfalt und Wandlungen der Blicke auf Nico zeigen sich in den künstlerischen Fotografien und Dokumenten ihrer Zeit aus den verschiedenen Welten der Mode, der New Yorker Kunstszene und Popkultur im Umfeld der Factory von Andy Warhol, sowie der Musikgruppe The Velvet Underground.
Die meisten Fotografien und Filme stammen aus Nicos früher Zeit. Später suchte sie den Erfolg als Sängerin und auch als Solistin mit eigenen Songs, weshalb sie nie mehr als Modell vor die Kamera treten wollte. Doch in den 1980er Jahren gelang es Antoine Giacomoni, sie noch einmal zu einer Fotosession zu bewegen und zu porträtieren. Giacomoni stellte seinem Kamerablick einen Spiegel zur Seite, in dem Nico ihr Aussehen vor jedem Foto noch einmal überprüfte.

Die Ausstellung zu Leben und Werk der Popikone Nico streift zudem das derzeit im Hamburger Bahnhof breit aufgerollte Thema der „Künstlermythen“. Denn auch Nico gehörte zu den „Stars“, die im Mittelpunkt der dortigen Andy Warhol-Ausstellung stehen. Vor allem durch ihre Nähe zu dem berühmten Pop-Künstler hat Nico ebenfalls in der bildenden Kunst deutliche Spuren hinterlassen. Und dass sie mehr als „Image“, als Pop-Ikone, denn als Person in Erinnerung geblieben ist, macht sie mit Warhol vergleichbar, als dessen weibliches

Spiegelbild sie in gewisser Weise gelten kann. Während jedoch die Fiktionalität der eigenen Identität bei Warhol allgemein als bewusste Strategie anerkannt wird, tritt Nico als Künstlerin nur undeutlich konturiert hinter den Stilisierungen hervor, die eine von männlichem Begehren und männlichen Vorstellungsbildern geprägte Popkultur auf sie projiziert hat. Doch Nico gelang es, sich diesen Projektionsmechanismen zunehmend zu entziehen und eine eigenständige Künstlerin zu werden. Ihr ansteigendes Desinteresse an der Stilisierung ihres eigenen Bildes hat dieses gleichsam unscharf gemacht. Und umso mehr fragt man sich bis heute: Wer war Nico?

- Ludwig Seyfarth