Stephanie Senge  Konsumkostruktivismus

09/04/2014 – 31/05/2014

Eröffnung: Dienstag, 08. April 2014, 18-21 Uhr

Reisebürogalerie
Diko Reisen
Komödienstraße 48
50667 Köln

Öffnungszeiten: Mo-Fr 9-18.30 Uhr, Sa 10-14 Uhr

Press Release

Konsumartikel, Billigprodukte und ihre Verpackungen sind seit Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn Gegenstand von Stephanie Senges Kunst, Supermärkte in aller Welt sind ihr Künstlerbedarf: „Wenn ich in einem fremden Land bin, gehe ich immer zuerst in den Supermarkt, dort bekomme ich eine Stimmung von den Menschen und der Situation im Land, auch die Verpackungen verraten sehr viel.“

Von ihren Reisen in andere Kulturkreise bringt die Künstlerin auch Formen kultureller Äußerung mit, die sie für ihre Arbeit adaptiert, so etwa aus Japan die Technik des Ikebana („Der starke Konsument - Ikebana als Wertschätzungsstrategie“, Verlag für Moderne Kunst, Nürnberg 2013) oder aus Indien die Form des Mandala („Konsum Mandala“, Ludwig Múseum, Budapest 2010). Dennoch ist deutlich, dass Stephanie Senges Anliegen kein rein formales ist. Ihr Antrieb ist vielmehr, den Dingen des täglichen Gebrauchs durch künstlerische Überformung eine höhere Wertschätzung angedeihen zu lassen und Kunstbetrachter zu wachen Konsumenten zu ermuntern. Sie sagt:

„Wir leben in einer hochentwickelten Wohlstands- und Konsumgesellschaft. Ich könnte nicht hier überleben, wenn ich dieses so komplexe, schwierige und auch mächtige Thema nicht in Form meiner Arbeit verdauen könnte. Anders als in der Politik müssen wir beim Einkaufen jeden Tag wählen. Ich will mit meiner Arbeit erreichen, dass sich die Menschen darüber bewusst werden, was sie tun beim täglichen Einkaufen, und sie ermutigen, starke Konsumenten zu sein, die wertschätzen können.“

Dem Anliegen, mit ihrer Kunst in die Gesellschaft hineinzuwirken, ist die Künstlerin so treu wie dem Thema Konsum. So organisiert sie auch Demonstrationen, Aktionen, Workshops und Vorträge. Mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der sie Techniken anderer Kulturkreise ‚umnutzt‘, bedient die Konsumaktivistin sich auch in der Kunstgeschichte: Seit 2011 entstehen formal reduzierte, streng anmutende Kompositionen, bei denen Stephanie Senge von Warenverpackungen ausgehend deren Gestaltungselemente aufgreift, weiterführt und als großformatige Tafelbilder wahrnehmbar macht.

»KONSUMKONSTRUKTIVISMUS« ist Senges Wortschöpfung für diese Werkgruppe, die in ihrer Reduziertheit und starken Farbigkeit tatsächlich an die gegenstandslosen, einfach geometrischen Malereien konstruktivistischer Künstler erinnert – und sich in ihrer Alltagsverbundenheit auch mit damals virulenten Ideen von der ‚guten Form‘ in allen Lebensbereichen deckt. Der Begriff ‚Konstruktivismus‘ verweist auf das lateinische Wort constructio, das ‚Zusammenfügung‘ bedeutet. In Senges konsumkonstruktivistischen Arbeiten werden Konsumartikel, Farbflächen und das Trägermaterial (Papier, Holz, Leinwand) tatsächlich zusammengefügt.
2012/13 folgte eine weitere konstruktivistische Bilderserie, bei denen sich Senge an den Werken des Malers, Bildhauers und Grafikers Friedrich Vordemberge-Gildewart (1899-1962) orientiert. Dem durchaus ideologischen Konstruktivismus, dem ein Glaube an das Reine zugrunde liegt, setzt Senge Konsumprodukte entgegen, deren ebenfalls ideologische Entstehungsweisen sich immer weiterentwickelt haben und in unser aller Alltag hineinwirken.

Mit diesem gesellschaftlichen, politischen und komplexen Thema Konsum geht Senge sehr differenziert und mit dem ihr tief innewohnenden lebensbejahenden Humor um.

Senge hat seit 2005 ihren eigenen Ikebana-Stil erarbeitet, den „Ike-100-Yen-Shop“-Stil. Ihn hat sie nochmals zu ‚Ding-Porträts‘ weiterentwickelt. Für die Ausstellung in Köln besuchte Senge im Vorfeld drei inhabergeführte Einzelhändler und wählte im gemeinsamen Gespräch bestimmte Dinge aus, aus denen sie in ihrem Atelier Ikebana-Objekte baut: „Diko-Reisebüro-Moribana“, „Besteckladen-Glaub-Moribana“, „Modehaus-Jacobi-Moribana“. Diese Objekte werden in den jeweiligen Geschäften ausgestellt, mit Verweis auf den momentanen Preis von Senges Arbeit am Kunstmarkt.

Senge stellt damit den Wert von Konsumprodukten ihrer eigenen künstlerischen Arbeit gegenüber, und benutzt den Kunstmarkt so auch als Wertschätzungsstrategie für alltägliche Konsumprodukte.