Kalin Lindena Gehtanz
26/03/2011 – 23/04/2011
Eröffnung: 25. März 2011, 19-22
Ausstellung: 26. März - 23. April 2011
Press Release
In Kalin Lindenas Ausstellungen verlaufen die Grenzen zwischen Objekt und Figur, Kunst und Bewegung, Bildern und Rhythmen, Film und Bühne fließend. Die Exponate in ihrer Ausstellung Gehtanz in der Galerie Christian Nagel, Berlin sind Figurinen aus buntem Papier und verschiedenen Gebrauchsmaterialien, wie Fahrradreifen oder Kugellampen, die auf Rollständern montiert sind und so einfach bewegt werden können. In dem auf die Raumwand projizierten Film werden sie zu beweglichen Figuren, zu Tänzern. Sie sind nicht Objekte oder Requisiten, sondern Hauptdarsteller. Der Schnittrhythmus des Films folgt einer Musik von ‚Tornado’, komponiert aus alltäglichen Geräuschschnipseln, die Kalin Lindena über Monate auf einem Diktiergerät gesammelt hat. Tanzrhythmus und Schnittrhythmus decken sich nicht, sondern ergeben eine weitere kontrapunktische Linienführung in diesem Gefüge. So erzeugt der Film eine Komplexität, die im Einzelnen auf die einfachsten/alltäglichsten Vorgänge und auf "arme" Materialien zurückgeht.
Kalin Lindena entwirft im Film eine Choreographie und im Raum eine Konstellation. Film und Ausstellung spielen auf verschiedenen Zeitebenen. Während in der Galerie die Akteure quasi "live" anwesend sind – ein Moment in der Gegenwart – spielt der Film in einer anderen Zeit. Zunächst handelt er in dem (vergangenen) Moment, als sich die Figuren in Bewegung gesetzt haben; er enthält aber auch ihre zukünftigen Bewegungen als Möglichkeit. Das Nebeneinander von Film und Ausstellung macht so aus der Zeit eine Perspektive von Zeit.
In Gehtanz fügt Kalin Lindena also die einzelnen Medien zu einem sinnlich erfahrbaren Ineinander. Genau hier knüpft die Künstlerin an einer um 1900 auftretenden, künstlerischen Entwicklung an, innerhalb derer die Künstler das romantische Ideal des Gesamtkunstwerkes erneuerten und experimentell weiterentwickelten. So setzte auch Oskar Schlemmer in seinem ab 1919 entworfenen triadischen Ballett die verschiedenen Gattungen zu einer Inszenierung zusammen, um eine Intensivierung des künstlerischen Ausdrucks und der
künstlerischen Wirkung zu erlangen. Kalin Lindena greift sich hier die Formensprache seiner überindividuellen, typenhaften Figuren heraus und lässt sie zu Mitspielern einer neuen Inszenierung werden, die einerseits Schlemmers Ideen übernehmen, sie aber gleichzeitig spielerisch weiterentwickeln.
In Kalin Lindena's exhibitions the boundaries between object and figure, art and movement, images and rhythms, film and stage are flowing. The exhibits in her exhibition Gehtanz at Galerie Christian Nagel, Berlin are ‘figurines’ made of colored paper and different functional materials, such as bicycle tires or lamps, mounted on garment racks, which can easily be moved.
In the film projected on the wall, they become moving figures, dancers. They aren’t objects or props, but protagonists. The rhythm of the editing of the film follows a piece of music from ’Tornado’, composed from snippets of everyday noise, which Lindena has collected for months on a dictaphone. Dance rhythm and cut rhythm don’t coincide, but create a further contrapuntal line management in this structure. Thus the film creates a complexity, which goes back to the easiest/most everyday processes and to ‘poor’ materials.
Kalin Lindena’s film shows a choreographed dance and in the room a constellation. Film and exhibition are on different time levels. While the actors are live, present in the gallery – a moment of present – the film is set in a different time. First it deals the (past) moment, because it has been set in motion; but it also reflects future movements as possibility. The juxtaposition of film and exhibition develops a perspective of time out of time.
With Gehtanz Kalin Lindena adds the individual media to a sensually explorable network. Right here the artist ties in with an artistic development, which occured round 1900. In this movement the artists renewed and advanced the romantic ideal of the ‘Gesamtkunstwerk’. In 1919 Oskar Schlemmer framed the different genres in his triadic ballet in a production to intensify artistic expression and artistic effect. At this point Kalin Lindena singles out the iconography of his super-individual, type-like figures and let them become actors of a new production, which on the one hand inherit Schlemmer’s ideas, but at the same time refine
them playfully.