Stephan Dillemuth ERFOLG
01/09/2007 – 13/10/2007
Eröffnung: 31. August 2007, 19-22 Uhr
Press Release
Wie in seinen bisherigen ausstellungen in der galerie christian nagel in köln und berlin - 'elbsandsteingebirge' (1994), 'die wagnerianer in köln' (1998), 'der deutsche jüngling' (2002) - untersucht stephan dillemuth zeitgenössische künstlerbilder vor ihrem jeweiligen historischen hintergrund. so wird aus den zeitumständen heraus der blick auf heutige verhältnisse geschärft.
'Erfolg' verortet sich zunächst vor dem zurzeit noch boomenden kunstmarkt und dillemuths eigener biografie.
'Erfolg' ist aber auch der titel eines romans von lion feuchtwanger, der im münchen der frühen 1920er jahre angesiedelt ist.
Feuchtwanger beschreibt in diesem buch die politische reaktion auf einen gesellschaftlichen bruch, den die kurzlebige räterepublik von 1918/19 herbeigeführt hatte.
Nach dem scheitern der kommunistischen utopie griffen damals personalentscheidungen, gesetzesinterpretationen und gesetzesänderungen wie zahnräder ineinander und verschieben, für viele kaum wahrnehmbar, gesellschaftliche realität und deren rechtsstaatliche grundlagen.
Historisch wissen wir um den totalitären charakter des ausnahmezustandes, der durch eben dieses räderwerk befördert wurde und jede demokratische kontrolle ausser kraft setzte.
Zurückblickend ist einfach zu erkennen, dass moral, einmal über das recht gestellt, den willkürlichen kern der ordnung als legitim erscheinen lässt, vor allem dann, wenn es darum geht, bedrohungen abzuwenden, die einem tradierten volkscharakter zuwider laufen.
Heute - da noch extremere gewaltmittel und subtilere kontrolltechnologien zur verfügung stehen - werden wieder angebliche terror- und andere bedrohungsszenarien bemüht, um machtbefugnisse auszuweiten.
Gleichzeitig werden jedoch gegenüber global agierendem kapital alle regulierungsmechanismen aufgegeben und der umherschweifenden gier ohne grenzen tür und tor geöffnet.
Es gilt daher zu fragen, wer der souverän eigentlich ist, für den und in dessen namen diese regierung handelt, wenn macht- und legimationsversluste durch überwachung und kontrolle der staatsbürger kompensiert werden.
Exekutive, legislative und judikative werden zunehmend intransparent.
Für den bürger ist die herbeizitierte bedrohung erst jetzt, als staatliche kontrolle spürbar und wir fühlen uns wieder undurchsichtigen mechanismen unterworfen, die jenseitig demokratischer kontrolle den subjektiven auslegungen staatlicher funktionsträger preisgegeben sind.
für manche partikularen interessen ist das sicherlich ein erfolg.
Für den künstler allerdings ist vor diesem hintergrund die frage: kann man in einem klima allgemeiner gesellschaftlicher regression, unaufhaltsamer gesellschaftlicher regulierung und normierung, zunehmender persönlicher unfreiheit und kontrolle, von künstlerischem erfolg überhaupt noch sprechen?
Oder ist das potenzial an gesellschaftlicher kritik, reflektionsmöglichkeit und intendierter veränderung (utopie, vision), die kunst einst hatte, im angesicht des marktes der puren spekulation gewichen? anders gefragt: was bleibt, wenn die blase platzt?
Vor diesem horizont ist die ausstellung von sd zu lesen, die angesichts des allgemeinen perfekten verblendungszusammenhangs und des immer präsenten profilierungs- und erfolgsterrors ihre eigene unzulänglichkeit allerdings nicht leugnet.