Stephanie Taylor Chop Shop
27/04/2006 – 24/06/2006
Press Release
CHOP SHOP – ODER WIE KOMMEN DIE DIEBE IN DEN WALD
Die Arbeit Stephanie Taylors umfasst beinahe alle Kategorien künstlerischer Ausdrucksmöglichkeit. Ihr Repertoire reicht vom Scherenschnitt, über die klassische Metallskulptur bis hin zu Fotogrammen, Zeichnungen, Performances, Lesungen und Musikstücken. Diese formale Vielfalt halten Erzählungen zusammen, deren Handlungsstränge sich in linguistischen Verformungen und überraschenden Sprachvolten zu verlieren scheinen, um dann doch zum Handlungskern zurück zu kehren. Ausgehend vom nahe Liegenden, dem eigenen Namen, entwickelte Stephanie Taylor erstmals 2002 zunächst in freier Assoziation (Stephanie Taylor = Stay Funny Sailor) die Figur des Seemanns Anisar Condor, der an einer fiktiven Seeschlacht auf dem Mittelmeer teilnimmt. Von diesem Handlungsort leitete sich der Titel der Audioinstallation „Adria“ ab, die eine Art Filmmusik zur Erzählung darstellt.
Dieser formbestimmende anagrammatischer Umgang mit Sprache sieht sich in konsequenter Nachfolge Ferdinand de Saussures und dessen Sprachtheorie, die u.a. den Signifikanten in keinerlei zwingenden Zusammenhang mit dem zugehörigen Signifikat sieht. So begreift Stephanie Taylor sprachliche Zeichen als lautmateriale Einheiten, mit denen Bedeutungen assoziiert sind, die durch minimale phonetische oder kontextuelle Verschiebungen variieren können. Das funktioniert deshalb so erfolgreich, weil Form und Inhalt bestimmter Wörter immer nur insofern eine spezifische Bedeutung zugesprochen werden kann, als die Kommunizierenden sie üblicherweise gemeinsam mit anderen sprachlichen Formen im Zuge der parole zu allseitig verstehbaren sprachlichen Ausdrücken zusammensetzen. Wenn aber nur ein einziger der Beteiligten aus dem etablierten Modus ausschert und sich in dadaistischer Manier der Sprache nicht als tradierten Gebrauchsgegenstand, sondern als Quell wunderbarer originärer Laute nähert, denen es Leben einzuhauchen gilt, dann kann etwas ganz und gar Eigenartiges geschehen: Die Sprache bildet keine Gedanken oder Geschichten mehr ab, sie erschafft sie vielmehr neu.
Obwohl das ganz einfach klingt, sind die so entstehenden Vokalextraktion und Silbenvereinzelung, Neuarrangement und Übersetzungen im Falle von Stephanie Taylors verwirrend. Weil sie den Prozess der Artikulation zergliedert und an einer eher zufälligen Stelle im Strom der Gedanken eine höchst ungewöhnliche Abzweigung wählt, isolieren sich die Ausdrücke in ihren komplexen Erzählungen als Ausdrücke zunächst nicht identifizierbarer Gedanken, auf die dann sprachlich und bildlich Bezug genommen wird. Das geschieht natürlich in Taylors Muttersprache, dem Amerikanischen. An dieser Stelle fällt das Prinzip wieder auf sich selbst zurück, denn dass verschiedene Sprachen verschiedene Zeichen für - vermutlich - gleiche Bedeutungen verwenden – wie Saussure argumentiert - sich also die Bedeutung von Zeichen mit der benutzten Sprache verändern, ist eigentlich ein Beleg für das Taylorsche Arbitraritätsprinzip, denn es erlaubt quasi die freie Wahl eines Zeichens zu jedem erdenklichen Zweck. Gleichzeitig verhindert es aber die langsame Rekonstruktion des Gedankens beim Nachsprechen der Texte, weil sich schon der Titel der Ausstellung nur für den mit amerikanischer Umgangssprache Vertrauten erschließt. Einige Bedeutungsebenen von Taylors phonetischen, typografischen und akustischen Geschichten kann man letztlich wohl nur in ihrer Ausgangssprache vollständig ausloten.
Das ist nicht so erbaulich, macht aber letztlich auch nicht viel, gibt es doch nonverbale Ansätze zur Genüge. Das experimentierfreudig Hybrid aus Bild- und Textinformation in CHOP SHOP (2006) nahm beispielsweise seinen Ausgang in der eigentlich unbedeutenden Tatsache, dass es erstmals in der vermutlich absichtlich neutral genannten Room Gallery in der Universität von Kalifornien in Irvine gezeigt wurde. Der rote Faden dieser raumgreifenden Mixed Media Installation besteht aus Geschichten über Autos und Autodiebe. Von der Titel bestimmenden Skulptur Chop Shop, die wiederum außer aus einem Autoradio mit gleichnamigen Rocksong aus gefundenen Reimen in der Sprache präpotenter Autodiebe und zwei Gummireifen noch aus den Arbeiten Tire Fire und Busty, zwei weiteren Skulpturen aus glasierten Kacheln bzw der Silhouette eines großbusigen Pin-ups aus verrosteten Metall besteht, reicht das Repertoire bis zu kleinen verspielten Bilderrätseln und einer Tapete mit dem Titel Thieves in Leaves. Unwahrscheinlicher Beginn dieser Assemblage verschiedenster Gedankenvolten zum Thema Autodiebstahl lag in der zufälligen phonetischen Ähnlichkeit des im Amerikanischen gemeinhin für das Dröhnen eines Autoauspuffs verwendete "vroom" mit dem Wort „room“. Der Ausgangspunkt einer weit mäandernden Bild-Geschichte war gefunden.
Mittels eines in seiner Komplexität absurden Vokalzählsystems auf der Basis eines Woody Aplanalp Songs, das unter anderem aus unzähligen Reimkolonnen um Laute wie „ips“, „ong“ , „it“ oder „um“ kreist, die nach linguistischer Verwandtschaft sortiert, neu zusammengesetzt und mit einem flotter Rocksound unterlegt werden, von dem die Künstlerin annimmt „dass in Autodiebe auf Crashkurs“ gerne hören würden, entwickelte Taylor eine Art Filmmusik, die ihre Geschichten akustisch begleitet. Der Ton macht quasi die Musik. Spielerisch illustrieren keine Fotoabzüge und Digitaldrucke die lose Reihung verschiedenster Anekdoten von Dieben und Rasern. Sieht man in Rear Door einen Dieb im Rückspiegel eines Autos, der praktischerweise gleich die ganze Innentür bedeckt, wird einem gleichnishaft in Cash Crash deutlich gemacht, wohin das alles führt, nämlich zu fatalen Unfällen, die Leben und Finanzen gleichermaßen bedrohen. Und natürlich trifft es die Armen auf den billigen Plätzen, denn „one is done; five is alive“. Wer daraus den Schluss zieht, dass grundsätzlich teure Autos beim Diebstahl vorzuziehen sind, dem sei Mug of Thug eine Mahnung. Dort sieht man die frontal und von der Seite die Visage eines Autodiebs – komplett mit cooler Sonnebrille und einer Ratte auf der Matte. Diese wiederum hat gar nichts mit Autos zu tun, sondern sie ist im Fahndungsbild von Vorne eine lautmalerische flat rat, hat mithin also reichlich Daseinsberechtigung. Eher dem Leben im Zwielicht der Illegalität gewidmet, dass das Dasein jedes echten Schurken bestimmt, ist die Tapete mit den Dieben im Schatten ihrer Blättermäntel. Diese thieves in leaves sind ein wunderbares Beispiel von Taylors raumgreifender, rein visuell orientierter Poetik. Jenseits aller klassisch strukturalistischen Klassifizierungskriterien sind sie – obwohl stark durch ihre kulturelle Herkunft geformt – durch ihre verhältnismäßig einfache Form allgemein verständlich. Über das unauflösbare Pardoxon, das es nun mal die Tücke im Umgang mit Text ist - auch in seiner materiellen Erscheinung -, dass man über ihn wieder nur mit Text schreiben kann, scheint Taylor nur zu spotten. Dieses Phänomen, das immer in seine Analyse hineingetragen wird, ist geradezu sine-qua-non ihrer Arbeiten. Während diesem (meinem) Text die Aufgabe zufällt, etwas, dem es formal bereits entspricht, mühsam zu erläutern, es mit der existierenden größeren Autorität des Bildes zu versöhnen, es ‚durchsichtig zu machen’ in Hinblick auf das Zeichen, findet ihre Sprache ganz selbstverständlich zum Bild. Das „Coexistierende des Körpers“ kommt bei Stephanie Taylor eben gerade nicht „mit dem Consecutiven der Rede in Collision“ wie es in Lessings berühmter Vorrede zum Laokoon heißt. Vielmehr lebt es in fruchtbarer Symbiose mit ihr. Natürlich können wir seit dem Kubismus und Futurismus, dem Sprach zerstörerischen Dadaismus, dem Surrealismus, seit Schwitters Merzkunst und Marcel Duchamps Wortspielen in den Avantgarden eine wechselseitige Durchdringung von Text und bildender Kunst beobachten. Dieser Prozess besitzt aber gegenüber den tradierten Gattungsformulierungen in Literatur und bildender Kunst immer ein bestimmendes Charakteristikum: Kohärenz ist vollkommen unwichtig,
– Susanne Prinz