Josef Strau  aaaaaaa...

10/10/1998 – 04/11/1998

Press Release

Variationen über „a“

 

Die Biografie des Künstlers Josef Strau läßt sich als eine Folge von Positionen und Verwerfungen lesen: Jedes Modell bedingte immer auch seine Negation, der Mitwirkung am Raum „Friesenwall 120“ folgte eine Malereiausstellung. In letzter Zeit ist jedoch eine Bündelung von Interessen zu beobachten, die bislang an verschiedene zeitliche Phasen gebunden waren. Themenbezogenes Arbeiten und „l’art pour l’art“ – traditionell als Gegenpole angesehen – gehen in seiner jüngsten Installation für die Galerie Christian Nagel stimulierende Symbiosen ein.

 

Das Verhältnis zwischen Innen und Außen, privatem und öffentlichem Raum bildete in den vergangenen Jahren ein Leitmotiv der verschiedenen Projekte und Ausstellungen von Josef Strau. Dabei waren häufig soziale und ökonomische Prozesse vor Ort (wie etwa im Müncher K-raum Daxer 1991 oder, vor wenigen Monaten, im Wiener kunstbuero 1060) Ausgangspunkt seiner Installationen und lieferten damit konkrete Anhaltspunkte für deren Bewertung. Im Vergleich dazu schien es sich bei Straus Kölner Ausstellung mit dem Titel „a“ auf den ersten Blick um eine klassische White-Cube-Präsentation zu handeln, die sich formal in drei Bestandteile gliederte: parallel zur Fensterfront der Galerie hingen drei dünne Lochplatten von der Decke, die eine Art gedämpft beleuchtetes ‚graphisches Kabinett‘ schufen, indem etwa zwanzig Zeichnungen installiert waren. Da dieser ‚Raumteiler‘ weder bis an die Decke noch bis zum Boden reichte, hatte er einen eher provisorischen und skulpturalen als architektonischen Charakter. Zudem verstärkte die Perforierung der Platten den Eindruck von Durchlässigkeit zwischen den beiden Raumteilen und wirkte der sonst üblichen Hermetik und Intimität von (grafischen) Kabinetten entgegen. Die gegenüberliegenden Fensterscheiben waren mit opaken weißen Papierbahnen bedeckt, die durch partielle Überlagerungen ein geometrisches Raster bildeten. Im Raum zwischen der abgedeckten Fensterfront und der Trennwand war eine Bodenskulptur aus dem gleichen flexiblen Material wie die Zwischenwand installiert, die durch zwei Nylonfäden in eine leicht geschwungene S Form gespannt wurde. Da das Nylon im Lauf der Zeit nachgibt, müssen die Fäden gelegentlich nachgezogen werden, um die Gestalt des Gebildes aufrechtzuerhalten. Mögliche kunsthistorische Referenzen reichen von Naum Gabos geschwungenen Plastiken mit Stahlfäden der 50er Jahre bis zur Richard Serras bedrohlich labilen Props. Zwei Auffassungen von Skulptur, die modernistische und theatralisch-minimalistische, werden auf diese Weise zusammengeführt. Die Fensterarbeit und das Bodenobjekt verwiesen zugleich auf zwei parallele Tendenzen der Architektur der 50er Jahre, die rechtwinklige Zellenbauweise à la Mies van der Rohe und die gekrümmten Flächen der Schalenbauweise im Stil eines Alvar Aalto. Ein weiterer Bezug zur Architektur stellte sich durch den frei gebliebenen Teil der Fensterfront her: Aus dem 5. Stock fiel der Blick auf eine formal mit der Skulptur korrespondierende schwungvoll vorragende Dachkonstruktion auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Mit dem verschließen der übrigen Fenster spielte Strau hingegen auf die fortschreitende Umwandlung von genuin öffentlichen in eingeschränkt öffentliche Räume an, wie sie auch in Köln in Projekten wie der Neumarkt-Passage sichtbar wird. Ebenso ließe sich in der partiellen ‚Abschottung‘ ein Bezug auf die verschiedenen ‚internen Öffentlichkeiten‘ des Kunstbetriebs konstruieren.

Architektonische und urbanistische Anspielungen zogen sich wie ein roter Faden auch durch die Zeichnungen jenseits der Trennwand, sowohl auf der Ebene der Motive - Fensterbänder wie bei Mies van der Rohe; stadtplanähnliche Aufsichten ; Eine nach Zeichnung von Robert Smithsons „Asphalt Rundown“; Puzzle-Elemente, die das Cover einer Publikation von Mark Wigley über Dekonstruktion in der Architektur zitieren - als auch durch Titel wie „unser Haus (a)“ oder „Der Entwurf“. Und selbst aus möglicherweise unbeabsichtigten oder nebensächlichen Details wie dem Schmutz auf den Lochplatten oder Spuren von verschmierter Tinte auf den Computerausdrucken könnte man noch einen Kommentar auf den Perfektions- und Hygienewahn der Architektur der Moderne herauslesen.

In die versuche, die Geschichte der Repräsentation von Architektur exemplarisch nachzuzeichnen, mischten sich immer wieder „Subjektivität“ kommentierende Elemente wie etwa eine Landschaft in Form eines Busens mit dem Titel „Stein der Begierde“ - eine mögliche Anspielung auf den romantischen Topos, die Landschaft wie einen Körper wahrzunehmen - oder das in der Art einer persönlichen Idée fixe in verschiedenen Variationen wiederkehrende Katzenmotiv. So formierte sich der einen Hügel herablaufende Teer in der Zeichnung des „Asphalt Rundown“ zu einer charakteristischen Silhouette einer Katze. Vielleicht deutet sich hierin an, dass jede Sicht und Bezugnahme auf etwas Vorangegangenes immer auch eine (von persönlichen Vorlieben und Abneigungen geprägte) Abweichung und Interpretation beinhaltet.

Mit dieser Aufzählung möglicher Referenzen kann das Flechtwerk von Bedeutungen das Strau in der Ausstellung anlegte, nur angedeutet und nicht aufgelöst werden. Der Buchstabe a, der in der Einladungskarte dazu diente, ein Haus zu zeichnen und der in den Zeichnungen immer wieder auftauchte, erinnert an Lacans „objet petit a“, jenen irreduziblen Rest, der sich der Symbolisierung durch die Sprache entzieht. Er ist, in der Formulierung von Žižek,[1], jene Lücke im Zentrum der symbolischen Ordnung, die die Bewegung der Interpretation erst in Gang setzt, „der bloße Anschein eines zu erklärenden, zu interpretieren ‚Geheimnisses.‘“ Der Buchstabe a, der Straus Zeichnungen markierte, könnte als Hinweis aufgefasst werden hier nicht zu viel verstehen zu wollen und der Subjektivität des Künstlers wie auch der der Betrachter ihren Raum zu lassen. Doch kam auch das handfeste Thema der Ökonomie, das Strau in Texten und anderen Ausstellungen häufiger explizit angesprochen hat, in dieser Präsentation zumindest mittelbar zum Tragen. Man konnte in ihr eine ästhetische Paraphrase des Maximalprinzips sehen, das bekanntlich darin besteht, mit einem bestimmten Einsatz von Mitteln eine maximale Wirkung zu erreichen.

[1] Slavoj Žižek, Liebe Dein Symptom wie Dich selbst!, Berlin 1991, S. 58.

Barbara Hess

In: Texte zur Kunst, Dezember 1998, 8. Jahrgang, Heft 32, S. 149-151

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Often social and economic processes on site were the starting point for Josef Strau’s installations and thus provided concrete clues for their evaluation. In comparison, Strau's exhibition entitled "a" seemed at first glance to be a classical white cube presentation, formally divided into three components: parallel to the gallery's window front, three thin perforated panels hung from the ceiling, creating a kind of dimly lit 'graphic cabinet' in which about twenty drawings were installed. Since this 'room divider' did not reach the ceiling or the floor, it had a more provisional and sculptural than architectural character. In addition, the perforation of the panels reinforced the impression of permeability between the two parts of the room and counteracted the usual hermeticism and intimacy of (graphic) cabinets. Two views of sculpture, the modernist and theatrical-minimalist, were thus brought together. The window work and the floor object simultaneously refer to two parallel tendencies in the architecture of the 1950s, the right-angled cellular construction à la Mies van der Rohe and the curved surfaces of the shell construction in the style of an Alvar Aalto. Architectural and urbanistic allusions also ran like a red thread through the drawings beyond the partition, both on the level of motifs – Mies-like window bands; citymap-like views ; a drawing based on #RobertSmithson 's " #Asphalt undown "; puzzle elements quoting the cover of a publication by Mark Wigley on deconstruction in architecture - and also through titles such as "our house (a)" or "the design". The letter a, which was used in the invitation card to draw a house and which appeared again and again in the drawings, is reminiscent of Lacan's "objet petit a", that irreducible remainder that eludes symbolization through language.

Extract from: Barbara Hess, December 1998, 8. Jahrgang, Heft 32, S. 149-151