Vera Drebusch  Zeitschleife

17/01/2014 – 22/02/2014

Eröffnung: Donnerstag, 16. Januar 2014, 19-22 Uhr
mit einer Performance der Künstlerin sowie einer Einführung
von Prof. Ute Hörner

Reisebürogalerie
Diko Reisen
Komödienstraße 48
50667 Köln

Press Release

Vera Drebusch, Jahrgang 1986, beschäftigt sich in ihren Foto-, Text- und Medienarbeiten mit Zeitgeschichte und ihrer "Aktualisierung" in Form von persönlichen Erinnerungen und Zeugnissen. Sie erhalten ihre Bedeutung dadurch, dass sich in Ihnen die Linien individueller Lebensläufe und die Linien historischer Ereignisse treffen, wie im Knoten einer Schleife.

In dem sie etwa in Ihrer Umwelt die Erinnerung von Menschen abfragt, die der Generation angehören, in deren bewusste Wahrnehmung der Reaktorunfall in Tschernobyl von 1986 fällt, erhält sie Aussagen wie: "Man darf den Mund nicht öffnen, wenn man rausgeht". Diese Aussagen versinnlichen das abstrakt Drastische des fernen Ereignisses und übersetzen es in konkret Erlebtes, das man nachempfinden kann. Die Aussagen, die unmittelbar den Körper betreffen (die beispielsweise mit Essen oder Atmen zu tun haben) haben sogar die Kraft, das Nachempfinden quasi unumgänglich zu machen. Zu diesen Erfahrungen, die Drebusch uns in die Gegenwart holt, gehört auch, dass man bestimmte Lebensmittel, die als besonders den strahlungsanfällig gelten, nicht essen dürfte. Die Pralinen, die sie den Galeriebesuchern zum Verzehr anbietet, sind mit damals "verbotenen" Zutaten gemacht. Das sie aus unbedenklichen Inhaltsstoffen bestehen, ist eigentlich immer Vertrauenssache.

Drebuschs Marmeladen und Säfte, die aus Früchten gemacht sind, die auf Bonner Botschaftsböden ferner Länder gewachsen sind, zielen auf ähnlich körperliche (also unausweichliche) Weise auf abstrakte historisch politische Vereinbarungen, hier Vereinbarungen über politische Territorien. Die Erde, in der die Pflanzen wachsen, gehört politisch/völkerrechtlich den exotischen (und konfliktbelasteten) Ländern Iran, Irak und Saudiarabien, auch wenn die gut bürgerliche, demokratisch verwaltete Muttererde Bonns nur Meter davon entfernt ist. Der abstrakten Einteilung eines auf Verträgen beruhenden Territorimus unterliegt immer auch das Stoffliche der Erde, die unmittelbar körperlicher Bestandteil der von ihr lebenden Menschen ist.

Ihre eigene Biografie wird 2013 zum Thema, als Vera Drebusch für ein halbes Jahr nach Bogota reist und dort den gleichaltrigen Künstler Andrés Baron kennenlernt. Die beiden vergleichen ihre Familiengeschichten bis in die Generation ihrer Großväter und stellen auffällige Gemeinsamkeiten fest, die sie schließlich zu dem Künstlerbuch 9256.122km verarbeiten, indem sie alte Familienfotoalben ineinander blenden.

In ihrer Zeit in Bogota stößt Drebusch auch auf das Radioprogramm “Las voces del secuestro” (zu dt.”Stimmen der Entführung”), das jeden Sonntag Nacht zwischen 0:00 und 6:00 Nachrichten von Angehörigen entführter Menschen sendet, in der Hoffnung, die Entführungsopfer würden diese an ihren unbekannten Aufenthaltsorten zu hören bekommen. In der Installation "Geisel-Radio", die aus einem mit roten Adern gemaserten Marmor Gedenkstein (Levanto Rosso) und einer Sound/Sender-Installation besteht, erzählt die Künstlerin von diesem "Geisel-Radio" und davon, wie es dazu kam, dass sie von ihm erfuhr.

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Vera Drebusch, born in 1986, deals with contemporary history and its 'updating' in the form of personal memories and testimonies in her photographic-, textual- and mediaworks. They gain relevance through the encounter of individual lives and hirstorical events, similar to a knot of a ribbon.

By asking people who consciously perceived the nulear reactor accident in Tschernobyl in 1986 about their recollection of, she receives answers like: "Going outside, you are not allowed to open your mouth!". These satements sensualize the abstract drastical a far away incident and translate it into a concrete experience, that one is able to understand. The statements concerning the body directly (that deal with food and breathing for example) even have the strength to make the understanding almost inevitable. Drebusch makes those experiences present, for example the prohibition to consume certain foods due to their vulnerability to radiation. The pralines she is offering to the gallery visitors at the opening are made of then 'forbidden' ingredients. That they are harmless is generally a matter of trust.

Drebusch's jam and juices made of fruits having grown on grounds of embassies of far away countries in Bonn, aim in a similar physical way (and therefore inevitable) at abstract historically political agreements. In this case at the agreement on political territories. The soil in which the plants grow belongs, according to international law, to the exotic countries of Iran, Iraq and Saudi Arabia (all rich of conflicts), even though the good civic, democratically administered soil of the city of Bonn is only some meters away. The abstract division of territory, based on contracts, is always underlied by the texture of the soil, being ultimately a physical feature of the people living of it.

Her own biography becomes subject of her works in 2013 when Vera Drebusch travels to Bogota for six months and meets same-aged artist Andrés Baron there. Comparing both their family histories up to the generation of their grandparents. They notice remarkable similarities that were used for the artist's book 9256.122km, in which old family photo albums are intertwined.

During her stay in Bogota, Drebusch came across the radio programme Las voces del secuestro (engl.: voices of abduction) that sends out messages of relatives of abducted people every Sunday night between 12 am and 6 am in the hope that they reach the victims in unknown places. In the installation "Geisel-Radio" (hostage radio), consisting of a marble memorial stone, grained with red veins (Levanto Rosso), and a sound/transmitter-installation, the artist talks about this hostage radio and about how she has come to know of it.