PORTRAIT OF A GENERATION CLEGG & GUTTMANN, GÜNTHER FÖRG
11/03/2021 – 01/05/2021
Galerie Nagel Draxler
Türkenstraße 43
80799 München
Öffnungszeiten / Opening hours:
Kontakt/ Contact: Peter Martin: +49 (0) 172 8639 182
Press Release
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PORTRAIT OF A GENERATION
Clegg & Guttmann, Günther Förg
2021. Die 1980er Jahre sind von heute aus genauso weit entfernt, wie von den 80er Jahren aus gesehen die 40er. Sich das vor Augen zu führen ist für uns, die wir in den 80er Jahren als junge Erwachsene im kulturellen Umfeld der BRD losgelegt haben, eine hilfreiche Überlegung, um in einer für die Gegenwart produktiven Weise Rückschau zu halten und mit ein paar wenigen konzentrierten Akzenten aus dem Werk von Clegg & Guttmann und Günther Förg das zu skizzieren, was wir „Portrait of a Generation“ nennen. Das geschieht ohne Anspruch auf apodiktische Gültigkeit. Lediglich laufen in den ausgestellten Arbeiten ein paar Linien zusammen, die die 80er Jahre in künstlerischer und diskursiver Hinsicht durchkreuzten und zum Schwingen brachten.
In den 80er Jahren ging deutsche Nachkriegszeit zu Ende. Politische Diskurse um die Mechanismen von Macht und Faschismus oder die Theorien des Erhabenen und die ästhetische Neuorientierung der Popkultur nach den 70er Jahren, die sich in hedonistisch geprägten Bewegungen wie New Wave zeigte, existierten nebeneinander.
Clegg & Guttmann und Günther Förg waren Protagonisten dieser Zeit und ihrer Arbeit lag diese Spannung zugrunde.
In diesem Zusammenhang sind Günther Förgs großformatige Fotos von mit faschistischer Ästhetik konnotierten Bauwerken, seine Portraits und Selbstportraits, etwa von der Szene-Goldschmiedin Gabi Dziuba auf den Treppen der Villa Malaparte auf Capri zu sehen. Das hier gezeigte Portrait von Gabi Dziuba und das Selbstportrait von Förg sind beide auf Streifenhintergründen inszeniert, eine direkte Referenz an Barnett Newmans Transzendierung des klassischen Bildrahmens ins „Unendliche" und „Erhabene".
Das Cover der Nummer 2/1987 der Zeitschrift Wolkenkratzer Art Journal* zeigte ein Selbstportrait des israelischen Künstlerduos Clegg & Guttmann. In der darauffolgenden Ausgabe interviewte Isabelle Graw (ab 1987 Redakteurin bei Wolkenkratzer) Günther Förg zu seiner verbalen Entgleisung bei der Eröffnung der Fotografie-Ausstellung „Blow Up“ im Württembergischen Kunstverein, Stuttgart. Clegg & Guttmann nahmen an dieser Ausstellung teil und zeigten unter anderem ein Portrait von Günther Förg und seiner Lebensgefährtin Ika Huber (“Artist and Models”), aufgenommen in den Privaträumen des "Malerfürsten" Franz von Stuck. Von Stuck selbst entwarf die 1897/98 erbaute Villa im neoklassizistischen Stil und ließ 1914/15 ein Ateliergebäude ebenfalls nach eigenen Entwürfen hinzufügen. Mit dem Gebäudeensemble realisierte er seine Vorstellungen vom Gesamtkunstwerk.
In der Stuckvilla befand sich auch die Galerie Christoph Dürr, die Christian Nagel von 1986-88 zusammen mit Matthias Buck leitete. Dort zeigten sie neben Kippenberger, Krebber, Clegg & Guttmann, Zobernig und Franz West auch eine Einzelausstellung von Günther Förg.
Blinky Palermo wurde in Bezug auf Förg einmal mit den Worten zitiert, "die Kunst ist fast so schön wie der Mann". Es ist unklar, ob dies als Beleidigung oder Kompliment gemeint war**.
Clegg & Guttmanns Portraits lassen sich in eine kunsthistorische und ikonographische Linie einfügen, deren Bezugsrahmen die ästhetischen Konventionen historischer Portraits und Gruppenbilder des 16. und 17. Jahrhunderts sind. Die Niederländer von Frans Hals bis Rembrandt, die Italiener von Tizian bis Caravaggio und die Spanier von Velasquez zu Goya sind das Referenzmaterial für einen Werkkomplex von Portraits, der kollektive Strukturen, gesellschaftliche Gefüge und Machtverhältnisse inszeniert.
Ihr hier gezeigtes „Portrait of a Young Woman“ (für das Isabelle Graw Modell stand) stammt von 1988.
Heute kann man eine Art Krise der political correctness erkennen, die sich bisweilen auch in einer drakonischen Haltung von links gegen die eigenen Reihen niederschlägt und einen überschüssigen Reflex darstellen könnte, der auf dem Schuldgefühl gründet, keinen Gegenentwurf zum ungebrochen fortschreitenden Neoliberalismus spätkapitalistischer Prägung zustande zu bringen. Diese Krise geht bemerkenswerter Weise einher mit einer Renaissance der Portraitkunst, sei es in Form von Malerei, Fotografie oder technoider NFT Ästhetik.
Wir fühlen ein politisches Versagen unserer Generation, das wir nicht leugnen wollen. Es geht nicht darum die 80er Jahre zu idealisieren, sondern sie zu verstehen.
Saskia Draxler & Christian Nagel
*Ab 1983 bis 1989 erschien die Zeitschrift Wolkenkratzer Art Journal im Abonnement und klassischem Zeitschriftenvertrieb im gesamten deutschsprachigen Raum alle zwei bis drei Monate im Soukup, Krauss Verlag, mit einer zuletzt verkauften Auflage von zehn bis zwölf Tausend Exemplaren. Die Zeitschrift gewann zunehmend Leser im europäischen Ausland und auch in der amerikanischen Kunstszene, weshalb ab 1986 teilweise eine Zusammenfassung in englischer Sprache hinzugefügt wurde.
Das Wolkenkratzer Art Journal befasste sich als eine der führenden deutschsprachigen Kunstfachzeitschriften auf unakademische Art und Weise mit Avantgarde- und zeitgenössischer Kunst und beleuchtete die aktuellen Trends der Kunstszene auch mit Berichten von Ausstellungseröffnungen und Messeveranstaltungen. Prägnant waren die in mehreren Ausgaben publizierten Portrait- und Personen-Fotos von Künstlern und Fotografen wie Benjamin Katz, Wilhelm Schürmann oder Günther Förg, welche den Lifestyle-Charakter des Journals prägten.
Der Journal-Charakter des Wolkenkratzer war für eine Kunstfachzeitschrift ein Novum.
Die Zeitschrift wurde gegründet, herausgegeben und redaktionell geleitet von Roman Soukup und Lothar Krauss. Von Anfang an gehörten international tätige Autoren zum festen/freien Redaktionsteam. 1987 traten Isabelle Graw und Wolfgang Max Faust als Autoren der Redaktion bei, deren Leitung sie gegen Ende der Publikationszeit übernommen hatten. Als Autoren (teilweise auch mit redaktioneller Verantwortung) schrieben für den Wolkenkratzer u. a. Christoph Blase, Andreas Kallfelz, Peter Bexte, Wilfried Dickhoff, Pier Luigi Tazzi, Jutta Koether, Walter Grasskamp, Peter Weibel, Klaus Walter, Justin Hoffmann, Donald Kuspit, Sabine B. Vogel, Tom Holert, Thomas Daum und Karlheinz Schmid.
Die Zeitschrift wurde von ihrem Verlag 1989 eingestellt. Die Titelrechte wurden von Gruner + Jahr aufgekauft und von art – Das Kunstmagazin genutzt, das vorübergehend die Referenz noch im Untertitel trug (als „Das Kunstmagazin mit Wolkenkratzer Art Journal“) und den Titelschriftzug bis heute im Impressum von art führt.
**Thomas Groetz: Laconic Adaptations and Nebulous Abysses. On the Art of Günther Förg. Catalog excerpt from "Extended. Sammlung Landesbank Baden-Württemberg"; Editors: Lutz Casper, Gregor Jansen, published by Kehrer Verlag Heidelberg, 2009.
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PORTRAIT OF A GENERATION
Clegg & Guttmann, Günther Förg
2021. The 1980s are as far away from today as the 1940s are from the 1980s.
For those of us who started out as young adults in the cultural environment of the former FRG in the 1980s, it is helpful to keep this in mind in order to look back in a way that is productive for the present and to sketch what we call "Portrait of a Generation" with a few concentrated accents from the work of Clegg & Guttmann and Günther Förg. This is done without any claim to apodictic validity. Merely a few lines converge in the exhibited works, which crossed the 80s in artistic and discursive terms and made them resonate.
The 80s saw the end of the German post-war period. Political discourses around the mechanisms of power and fascism or the theories of the sublime and the aesthetic reorientation of post-70s pop culture, evident in hedonist-driven movements like New Wave, coexisted.
Clegg & Guttmann and Günther Förg were protagonists of this period, and their work arose from this tension.
In this context, Günther Förg's large-format photographs of buildings connoted with fascist aesthetics, his portraits and self-portraits, for example of the legendary goldsmith Gabi Dziuba on the steps of the Villa Malaparte on Capri, can be seen. The portrait of Gabi Dziuba shown here and Förg's self-portrait are both staged on striped backgrounds, a direct reference to Barnett Newman's transcendence of the classical pictorial frame into the "infinite" and "sublime."
The cover of issue 2/1987 of Wolkenkratzer Art Journal* featured a self-portrait by the Israeli artist duo Clegg & Guttmann. In the following issue, Isabelle Graw (editor at Wolkenkratzer from 1987) interviewed Günther Förg about his verbal gaffe at the opening of the photography exhibition "Blow Up" at the Württembergischer Kunstverein, Stuttgart. Clegg & Guttmann participated in this exhibition and showed, among other things, a portrait of Günther Förg and his partner Ika Huber ("Artist and Models"), taken in the private rooms of the "prince of painters" Franz von Stuck. Von Stuck himself designed the villa, built in 1897/98 in neoclassical style, and had a studio building added in 1914/15, also according to his own designs. With this ensemble of buildings, he realized his ideas of the Gesamtkunstwerk.
The Stuckvilla was also home to the hristoph Dürr Gallery, which Christian Nagel ran together with Matthias Buck from 1986-88. There they showed Kippenberger, Krebber, Clegg & Guttmann, Zobernig and Franz West, as well as a solo exhibition by Günther Förg.
Blinky Palermo was once quoted in reference to Förg as saying, "the art is almost as beautiful as the man." It is unclear whether this was meant as an insult or a compliment**.
Clegg & Guttmann's portraits can be seen in an art historical and iconographic lineage whose frame of reference is the aesthetic conventions of historical portraits and group paintings of the 16th and 17th centuries. The Dutch from Frans Hals to Rembrandt, the Italians from Titian to Caravaggio, and the Spanish from Velasquez to Goya are the reference material for a body of portraiture works that stage collective structures, social structures, and power relations. Their "Portrait of a Young Woman“ (for which Isabelle Graw made herself available as a model) dates from 1988.
Today, one can recognize a kind of crisis of political correctness, which is sometimes reflected in a draconian attitude from the left against its own ranks and could represent an excessive reflex based on the feeling of guilt at not being able to produce a counter-narrative to the unbroken progress of late capitalist neoliberalism. This crisis is remarkably accompanied by a renaissance of portrait art, be it in the form of painting, photography or techno NFT aesthetics.
We feel a political failure of our generation that we do not want to deny.
The point is not to idealize the 80s, but to understand them.
Saskia Draxler & Christian Nagel
*From 1983 to 1989, Wolkenkratzer Art Journal was published by subscription and classic magazine distribution throughout the German-speaking world every two to three months by Soukup, Krauss Verlag, with a circulation of ten to twelve thousand copies. The journal increasingly gained readers in other European countries and also in the American art scene, which is why a summary in English was partially added from 1986.
As one of the leading German-language art journals, Wolkenkratzer Art Journal dealt with avant-garde and contemporary art in an unacademic manner and also highlighted current trends in the art scene with reports from exhibition openings and fair events. The portrait and personal photos of artists and photographers such as Benjamin Katz, Wilhelm Schürmann, and Günther Förg, which were published in several issues, were striking and shaped the lifestyle character of the journal.
The journal character of Wolkenkratzer was a novelty for a professional art journal.
The journal was founded, edited and editorially directed by Roman Soukup and Lothar Krauss. From the beginning, internationally active authors were part of the permanent/freelance editorial team. In 1987 Isabelle Graw and Wolfgang Max Faust joined the editorial team as authors, which they took over towards the end of the publication period. Authors writing for Wolkenkratzer included Christoph Blase, Andreas Kallfelz, Peter Bexte, Wilfried Dickhoff, Pier Luigi Tazzi, Jutta Koether, Walter Grasskamp, Peter Weibel, Klaus Walter, Justin Hoffmann, Donald Kuspit, Sabine B. Vogel, Tom Holert, Thomas Daum, and Karlheinz Schmid.
The magazine was discontinued by its publisher in 1989. The title rights were bought by Gruner + Jahr and used by art - Das Kunstmagazin, which temporarily still carried the reference in its subtitle (as "Das Kunstmagazin mit Wolkenkratzer Art Journal") and still carries the title lettering in art's imprint today.
**Thomas Groetz: Laconic Adaptations and Nebulous Abysses. On the Art of Günther Förg. Catalog excerpt from "Extended. Sammlung Landesbank Baden-Württemberg"; editors: Lutz Casper, Gregor Jansen, published by Kehrer Verlag Heidelberg, 2009.